Kein Grund zur Verzweiflung

Highlight des Vormittages war der Vortrag des Innsbrucker Liturgiewissenschaftlers Prof. Meßner zum Thema „Amt und Ordination bei Luther im Licht der Geschichte der Ordination“.

fotoFragt man die katholische Dogmatik nach dem Verständnis der Ordination, sei außer Geschwätz nichts in Erfahrung zu bringen. Das, so Meßner, sei seine erste Verzweiflung. Schaut man dagegen auf die lutherische Systematik in Bezug auf das Ordinationsverständnis, stößt man auf zwei Schulbildungen, deren eine, ausgehend von Höfling über Ritschl, zu sagen meint, dass die Ordination theologisch unbedeutend sei, weil es sich um eine rein kirchenregimentliche Entscheidung handele, während die andere, ausgehend von Löhe bis Heubach, in der Ordination eine göttliche Handlung sehe. Beide Richtungen erlangten wechselseitig die Oberhand, was in der Folge dazu führt, dass dogmatische Vorentscheidung die kirchengeschichtlichen Untersuchungen prägen wie in kaum einem anderen Bereich. Das, so Meßner, sei  seine zweite Verzweiflung.

Allerdings ließ sich Meßner davon nicht in Verzweiflung stürzen, sondern  bot ein brillantes, an Klarheit und intellektueller Schärfe kaum zu überbietendes, höchst kurzweiliges Feuerwerk.

Die Grundfrage lutherischen Ordinationsverständnis ist, ob die Ordination als eine reine Amtseinsetzung zu verstehen sei oder ob sie eine geistliche Wirkung habe. Auch wenn Luthers eigene Ausführungen zum Ordinationsverständnis eklektisch und oftmals polemisch sind, meint Meßner herausarbeiten zu können, dass Luther in der Aufnahme altkirchlicher Tradition und in Bezug auf das altrömische Kirchenrecht auf zwei Kernaspekte der Ordination abstellt. Zum einen braucht es eine vocatio durch die Gemeinde, die sich aber als vocatio mediale auf das Wirken des Heiligen Geistes bezieht und damit eine Berufung von Gott selbst sei und zum anderen in Schriftlesung (Act 20,28-33), Handauflegung und Gebet im Gottesdienst eine geistliche Wirklichkeit schaffe. Meßners Präferrenz ist damit überzeugend klar gestellt und veranlasste Landesbischof Dr. Manske in der Diskussion zu der humorvollen Anregung, diese Erkenntnis in Rom bekannter zu machen.

Weit spannender war jedoch Meßners Beschreibung der römisch-katholischen Geschichte der Ordination, die ich wenigstens kursorisch kurz umreißen will. In Bezugnahme auf Rudolf Sohm skizzierte Meßner die Entwicklung bis zu einer Zäsur Mitte des 12. Jahrhunderts und danach. Vor dieser Zäsur war die Ordination immer auf ein Amt bezogen, wie dies auch dies bei der lutherischen Ordination bis heute der Fall ist. Absolute Ordinationen waren bis dahin null und nichtig und seit dem Konzil von Chalkedon verboten. Ordinationen konnten rückgängig gemacht werden und die Rechte aus ihr erlöschen.  Nach dieser Zäsion wurden Amt und Ordination getrennt. Seitdem werden römisch-katholische Geistliche ordiniert und erst danach, wenn überhaupt in ein Amt eingeführt (man denke an die schönen Hilfskonstruktionen, wenn Kurialbischöfen untergegange Diözesen zugeordnet werden). Es gilt die Unwiderrufbarkeit des Sakramentes, der character indelibilis und die Amtsgnade kommt ins Spiel. Ordination meint seitdem die Ermächtigung eines Geistlichen, mithin, wie Thomas von Aquin feststellte, eine neue Seelenqualität, ohne dass dieses klar und präzise gefasst und durchdacht ist. Der lutherische Zuhörer konnte sich die Eindruckes nicht erwehren, dass die Theologie dem vorauseilenden Kirchenrecht hinterherhinkt. Auch die Präzisierungen im  Vatikanum II in Bezug auf den charakter lösen das Problem nicht, weil die Frage der Beziehung zwischen Episkopus und Presbyter offen blieb.

Letztlich, und das macht die Sachlage interessant, ist die lutherische Lehre in ihrem Rückgriff auf die Alte Kirche in hohem Maße konsistent. Allerdings, und damit erhöht sich das ökumenische Potential noch einmal, Theorie und Praxis folgen in beiden Kirchen unterschiedlichen Pfaden, so dass das Chancen gegenseitigen Lernens auf der Hand liegen.

 

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