Passionsgottesdienst in der Waldkirche

Heute habe ich Gottesdienst in der Waldkirche gehalten.
Passionsgottesdienste haben es in sich, weil wir es nicht mehr gewohnt sind, uns auf die dunklen Seiten des Kirchenjahres einzulassen. Am liebsten würden wir die Passionszeit auf die Karwoche beschränken. Nur schnell wieder weg mit den dunklen Seiten des Lebens!
So einfach wird es allerdings nicht gehen. Nur wer sich auf das Dunkle auch wirklich einlässt, weiß das Licht zu ermessen.
Ich war froh, dass die Gemeinde die neue Perikopenordnung erprobt. Mir blieb deswegen der dunkle Markustext erspart. Stattdessen stand Hebr 11, das Beispiel Abrahams, auf dem Programm.
Mich erinnert die Geschichte an meinen Besuch mit Landesbischof Bedford-Strohm in Hebron. Im Zentrum der Stadt befindet sich das Grab Abrahams und seiner Familie, die eine Hälfte Moschee, weil Abraham auch für die Muslime eine entscheidende Figur ist, die andere Hälfte eine Synagoge. Das Erzvatergrab ist von zwei Seiten, einmal durch die Moschee und zur anderen Seite durch die Synagoge zugänglich und gleicht einer Festung, mehr Militär und Polizei als Betende. Der tote Abraham als das verbindende oder das trennende Element in diesem Gotteshaus, je nachdem welche Perspektive man einzunehmen gewillt ist. Alles das wundert kaum, wenn man sich an das Attentat von 1994 erinnert. Damals erschoss ein radikaler Siedler 29 Betende in der Moschee. Das haben die Menschen auf beiden Seiten bis heute nicht vergessen. Für die Siedler ist der Attentäter ein Held und für die Palästinenser ein Mörder.

Die Innenstadt, der Suq, das Herz jeder arabischen Stadt, direkt um das Erzvätergrab herum, ist menschenleer, mit Betonmauern abgeriegelt, Abfall überall, die Bewohner vertrieben, nur schmale Passierstreifen zwischen den Kontrollposten lassen den Zugang zur Moschee oder zur Synagoge frei, für jede Religion gibt es separate, streng voneinander geschiedene Pfade. Um die Altstadt als solche stehen in Gruppen israelische Siedlungshäuser, fanatischer Radikaler, – selbst für uns war es gefährlich dorthin zu gehen: nur ein paar hundert Menschen leben dort. Und dann wie ein letzter konzentrischer Kreis die palästinensische Stadt mit an die 100.000 Einwohnern. Dazwischen als Pufferzone mindestens 2000 Soldaten, deren Aufgabe es ist, die hasserfüllten Siedler, die in Hebron meinen, heiligen Boden verteidigen zu müssen, von den nicht weniger hasserfüllten Palästinensern zu trennen. Das Ganze ist ein gespenstischer Hexenkessel, der den von außen kommenden Besucher vollkommen sprachlos macht. Das Einzige, was unmittelbar einleuchtet, ist, dass Hebron nicht Frieden, sondern eine stete Quelle immer neuer Verletzungen, ja des Hasses zwischen fanatischen Siedlern und den dort ebenfalls lebenden Palästinensern hervor bringt. Hebron ist wie ein Schnellkopftopf, in dem der Hass am Siedepunkt gehalten wird und keiner weiß, liebe Schwestern und Brüder, wann das Ventil platzt.

Passionszeit, kaum auszuhalten, die Menschen schreien regelrecht nach Erlösung.

Die ganze Predigt schicke ich gerne auf Anfrage.

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