Bevor es am Samstagmorgen darum gehen konnte, alles zusammen zu fassen, war Fernando Enns gebeten, noch einmal die großen Linien aus seiner Sicht darzustellen:
Selbstredend stieg der Mennonit Enns mit dem Statement für einen gerechten Frieden ein. Auch hier wieder, es ist eine Erklärung auf dem Weg, formuliert in Form eines trinitarischen Glaubensbekenntnisses. Der gerechte Friede, so heißt es, ist der Weg Gottes um der Menschlichkeit und der ganzen Schöpfung willen. Damit hat der ÖRK geradezu eine friedenskirchliche Perspektive zu seinem Programm gemacht. Wer das Dokument nachlesen will, kann das hier tun: Just Peace. Aber Enns wäre nicht Enns, wenn er dabei stehen geblieben wäre.
Sein Horizont reicht weit. Enns wies auf den Gesamtzusammenhang der verschiedenen Dokumente hin, die bei der Vollversammlung eine Rolle gespielt haben. Seiner Ansicht nach kommt insbesondere dem Missionsdokument Bedeutung zu, das Mission von den Rändern her denkt, weil Gott sich zuallererst an den Rändern der Gesellschaft und nicht im Zentrum finden lässt. Am Beispiel der Kriegsdienstverweigerung in Korea, die verboten und gesellschaftlich verpönt ist und deswegen auf der Vollversammlung auf Drängen der koreanischen Kirchen keine Rolle spielen durfte, machte Enns deutlich, dass die Glaubwürdigkeit des ÖRK davon abhängt, ob er die Kraft findet, sich den Fragen der Menschen an den Rändern zu öffnen oder nicht.
Der Pilgerweg, so Enns, darf kein Mantra werden, das alle nachbeten, ohne dass sich etwas ändert.
Für wenig bedeutsam erachtet Enns die Ekklesiologiestudie. Theologisch ist das Meiste aufgearbeitet. Aber der Frage nach der Macht, der Frage nach dem Amt stellt sich der ÖRK nicht. Ohne sich dieser Frage zu stellen, wird es nicht weiter gehen. Letztlich gehören die Differenzen auf den Tisch.
Nach Enns erweist sich die Relevanz des ÖRK darin, die kontroversen Fragen gegen alle Drohungen anzugehen. Nur so gibt es Frieden und Gerechtigkeit, nur so gibt es eine teure und keine billige Einheit, nur so ist Frieden gerecht und die Dokumente des ÖRK keine Lippenbekenntnisse, sondern ein Vorgeschmack auf die neue Schöpfung Gottes.
Deutliche Worte, Salz in der Suppe, aber unverzichtbar.
Martin Robra war, wie die Schlussrunde zeigte, nicht begeistert und meinte die Rede Hilarions, der in Busan zur Verärgerung vieler die westlichen Kirchen und die westliche Lebensform an den Pranger gestellt hat und dessen Rede viele als Inbegriff der von Enns angesprochenen Drohungen ansahen, als einen Kunstgriff der Regie zu verstehen, weil dadurch die umstrittenen Themen zum Gegenstand der Tagesordnung gemacht worden seien. Das war ausgesprochen trickreich und zeigt den versierten Ökumeniker, der selbst aus Gegenwind noch Fahrt zum Ziel aufnimmt.
Der ÖRK wird 2014 und 2015 im Zugehen auf die Weltklimakonferenz in Paris das Thema Ecojustice in den Mittelpunkt stellen.
Busan sei, so Robra, nicht die Erfindung des Pilgerweges, sondern nur eine Station. Es ist eine spirituelle Frage, ob wir uns in Bewegung setzen lassen. Dabei muss immer auf die Kontextualität zu achten. Was heißt das jetzt für Deutschland?
Letztlich habe die Vollversammlung das Mandat gegeben, sich auch den schwierigen Fragen auszusetzen, gerade an den Rändern. Na dann!
Das stand am Schluss an der Pinwand!
In der großen Schlussrunde kam zuerst einmal die neue Auslandsbischöfin der EKD, Petra Bosse-Huber, zu Wort. Es gelang ihr, obwohl erst kurz im Amt, Worte zu finden,
die bei den Tagungsteilnehmern, so mein Eindruck, sehr positiv aufgenommen wurden. Die Erfahrungen von Busan wurden von ihr sehr positiv beschrieben und die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit der christlichen Kirchen wertgeschätzt. Wörtlich sagte sie, es gehe darum, die Einheit unterwegs aus überraschenden Begegnungen zu erfahren, und somit eine ökumenische Lerngemeinschaft zu bilden. Aus der Erfahrung als ehemaliges Mitglied einer Kirchenleitung stellte sie die ökumenische Themen in den Horizont eines gesamtgesellschaftlichen Bezugsrahmen. Damit brach Bosse-Huber die oft zu beklagende Engführung binnenökumenischer Zirkel auf, machte Möglichkeiten und Notwendigkeiten deutlich, die viele bislang eher vermisst hatten. Das weckt Erwartungen für die Zukunft.
Zudem gelang es Frau Bosse-Huber deutlich zu machen, wie sehr das Kirchenamt der EKD an Kooperation mit den unterschiedlichen Akteuren der Ökumene interessiert ist. Ein Aspekt, der gerade jetzt wichtig ist, da viele Einrichtungen der Ökumene an Gestaltungsmöglichkeiten verloren haben, und man nur dann weiterkommt, wenn man sich zusammen tut. Angedeutet hat Frau Bosse-Huber auch eine Projektstelle zur Koordination des Pilgerweges.
Die schwierige Aufgabe die Tagung zusammen zu fassen, hatte Anne Heitmann vom Ökumenereferat der Badischen Kirche und Mitglied im Zentralausschuss. Das hat sie schwungvoll und bildreich gemacht. Ich nenne nur ein Bespiel: „From stay together zum we intend to move together“. Damit hat Heitmann gut auf den Punkt gebracht, worauf es jetzt ankommt.
Aufgegriffen wurde von ihr auch noch einmal der Pilgerweg, der wie Antje Heider-Rottwilm es ausdrückte, von den Kraftorten zu den Brennpunkten gehen muss, und damit so etwas wie ein hermeneutisches Prinzip der Ökumene sein könnte.
In der Diskussion wurden zwei, wie ich meine, wichtige Anmerkungen gemacht. Die eine kam von Uta Andrée und war kritisch, als sie fragte, wo der neue Geist sei? Er wäre wohl nur mit Auslegungshilfe zu entdecken wäre.Das ist richtig und muss den Busanbegeisterten klar sein, dass der Überschlag auf alle, die nicht dabei waren, mit Arbeit verbunden sein wird. Die zweite Anmerkung kam von Michael Biehl, der im Zusammenhang des Missionsdokumentes davor warnte, immer gleich von einer Theologie der Opfer zu sprechen, weil damit alle, die Theologie treiben, sofort auf die Opferrolle festgelegt würden. Biehl spricht die Gefahr an, dass ein Zuviel an Hinwendung Entwicklungsmöglichkeiten beschränkt.
Was meine ich?
Es war eine Tagung, die einen neuen drive hat spüren lassen. Das hat schon einmal geholfen. In der Tat braucht es für manches noch eine helfende Hand. Gut ist aber der universalistische Ansatz des Einheitspapiers, der Entwicklungen aus vielen anderen Dokumenten wie dem Missionspapier zusammenführt. Hier werden Tendenzen aus der Orthodoxie zu einem mutmachenden Konzept und zu einem kohäreten Guß gemacht. Sicher, hier hat Konrad Raiser recht, das steckt in den Kinderschuhen und vieles ist noch nicht durchdacht. Es ist weniger Glaube und Kirchenverfassung, mehr Leben und Arbeit. Durchaus anspruchsvoll, wenn die Kirchen ein Vorgeschmack auf die neue Schöpfung sein sollen. Ein Anspruch, den wir uns zutrauen dürfen, und der uns deswegen herausfordert. Ich habe das gespürt und mache mich mit neuer Lust ans Werk.
Heike Bosien, ohne die alles nicht möglich gewesen wäre. Herzlichen Dank, super!
Alles Gute und viel Erfolg konkret zu werden!